Was ist Intergeschlechtlichkeit?

Intergeschlechtliche Menschen können nicht eindeutig den männlichen oder weiblichen Geschlecht zugeordnet werden. Sie haben eine Kombination von chromosomalen, gonadalen, hormonellen und/oder anatomischen Merkmalen, die von den gesellschaftlichen Normen für männliche und weibliche Körper abweichen.

Es gibt viele verschiedene Formen der Intergeschlechtlichkeit, die sich in ihrer Ausprägung und Erscheinung unterscheiden können. Einige Beispiele sind:

  • Androgeninsensitivitätssyndrom (AIS): Eine genetische Variation, bei der der Körper teilweise oder vollständig unempfindlich gegenüber Androgenen (männlichen Hormonen) ist.
  • Klinefelter-Syndrom: Eine chromosomale Variation, bei der eine Person ein zusätzliches X-Chromosom hat oder mehrere (XXY, XXXY, XXXYY …) .
  • Turner-Syndrom: Eine chromosomale Variation, bei der eine Person nur ein X-Chromosom hat (X statt XX).
  • Congenital Adrenal Hyperplasia (CAH): Eine hormonelle Variation, bei der die Nebennieren vermehrt Androgene produzieren.
  • und noch viele weitere Varianten

Intergeschlechtlichkeit ist ein natürlicher und vielfältiger Aspekt der menschlichen Biologie. Es ist wichtig, intergeschlechtliche Menschen zu respektieren und ihre Rechte zu schützen.

Wie viele intergeschlechtliche Menschen gibt es?

Wissenschaftliche Schätzungen variieren zwischen 0,021 und 1,7 Prozent – je nachdem, wie viele Formen von Intergeschlechtlichkeit berücksichtigt werden.
Das heißt, dass möglicherweise etwa jedes 60 bis 500 neugeborene Kind intergeschlechtlich ist.
Auf jeden Fall gibt es mehr intergeschlechtliche Menschen in Deutschland als es scheint. Denn viele Menschen legen ihre Intergeschlechtlichkeit nicht offen, um sich vor Diskriminierung zu schützen. Häufig wissen Personen auch nicht, dass sie intergeschlechtlich sind.

Es ist wichtig, die Vielfalt der Geschlechteridentitäten anzuerkennen und zu respektieren.

Medizinische und gesellschaftliche Herausforderungen

Intergeschlechtliche Menschen stehen oft vor medizinischen Entscheidungen, die ihr körperliches und emotionales Wohlbefinden beeinflussen können. Daraus, aber auch unabhängig davon,  können verschiedene soziale und psychologische Herausforderungen entstehen. Besonders durch Stigmatisierung, Diskriminierung und auch fragen zu seiner eigenen (geschlechtliche) Identität.

Dies ist sehr belastend und kann die medizinische und die psychische Gesundheit beeinträchtigen.

Geschichte der Intergeschlechtlichkeit

Die Geschichte der Intergeschlechtlichkeit ist geprägt von Fremdbestimmung und Pathologisierung, aber auch von Widerstand und Selbstbestimmung.

Frühe Geschichte

Intergeschlechtlichkeit ist keine neue Erscheinung; es gibt historische Aufzeichnungen und Berichte über intergeschlechtliche Menschen in verschiedenen Kulturen und Epochen. In der Antike wurden intergeschlechtliche Menschen oft als besondere oder göttliche Wesen angesehen. In einigen Kulturen wurden sie verehrt, während sie in anderen als Omen oder Zeichen betrachtet wurden.

19. und 20. Jahrhundert

Im 19. und frühen 20. Jahrhundert begann die Medizin, sich intensiver mit Intergeschlechtlichkeit zu beschäftigen. Der Begriff “Intersexualität” wurde 1915 vom Genetiker Richard Goldschmidt geprägt. Er verwendete den Begriff, um “sexuelle Zwischenstufen” bei Nachtfaltern zu beschreiben. In dieser Zeit wurden intergeschlechtliche Menschen oft pathologisiert und medizinische Eingriffe wurden durchgeführt, um ihre Körper an die binären Geschlechtsnormen anzupassen.

Spätes 20. Jahrhundert bis heute

In den 1990er Jahren begann eine Bewegung von intergeschlechtlichen aktivistische Menschen, die gegen nicht notwendige medizinische Eingriffe und für die Rechte und Anerkennung intergeschlechtlicher Menschen kämpften. Diese Bewegung führte zu einer zunehmenden Sensibilisierung und Anerkennung der Rechte intergeschlechtlicher Menschen im Deutschen Personenstandrechts.

In Deutschland wurde 2013 ein Gesetz verabschiedet, das es ermöglicht, auf einen Geschlechtseintrag zu verzichten, und seit 2018 ist es möglich, “divers” als Geschlecht in das Personenstandsregister einzutragen. Diese rechtlichen Fortschritte sind ein wichtiger Schritt in Richtung Anerkennung und Schutz der Rechte intergeschlechtlicher Menschen.

Rechte von intergeschlechtlichen Menschen

Intergeschlechtliche Menschen haben spezifische Rechte, die darauf abzielen, Diskriminierung zu verhindern und ihre Würde und Autonomie zu schützen.

  • Recht auf körperliche Unversehrtheit
    Intergeschlechtliche Menschen haben das Recht, vor nicht notwendigen medizinischen Eingriffen geschützt zu werden. Dies bedeutet, dass Operationen oder Behandlungen, die nur dazu dienen, den Körper an binäre Geschlechtsnormen anzupassen, ohne die informierte Zustimmung der betroffenen Person nicht durchgeführt werden sollten.
  • Recht auf Anerkennung und Identität
    In Deutschland haben intergeschlechtliche Menschen seit 2018 das Recht, “divers” als Geschlecht in das Personenstandsregister eintragen zu lassen. Zuvor war es seit 2013 bereits möglich, auf einen Geschlechtseintrag zu verzichten. Dies ermöglicht es intergeschlechtlichen Menschen, ihre Identität rechtlich anerkennen zu lassen.
  • Recht auf Schutz vor Diskriminierung
    Intergeschlechtliche Menschen sind durch verschiedene Antidiskriminierungsgesetze geschützt. Diese Gesetze verbieten Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Geschlechtsidentität oder der körperlichen Geschlechtsmerkmale. Dies umfasst den Schutz vor Diskriminierung in Bereichen wie Beschäftigung, Bildung und Gesundheitsversorgung.
  • Recht auf Selbstbestimmung
    Intergeschlechtliche Menschen haben das Recht, ihre eigene Geschlechtsidentität zu bestimmen und zu leben. Dies schließt das Recht ein, selbst zu entscheiden, ob und wann medizinische Eingriffe vorgenommen werden sollen.
  • Recht auf Unterstützung und Beratung
    Intergeschlechtliche Menschen und ihre Familien haben das Recht auf Zugang zu Unterstützung und Beratung. Dies kann psychologische Unterstützung, rechtliche Beratung und Zugang zu Selbsthilfegruppen umfassen.
  • Internationale Anerkennung
    Die Vereinten Nationen und andere internationale Organisationen erkennen die Rechte intergeschlechtlicher Menschen an und setzen sich für ihren Schutz ein. Der 17. Mai wurde zum Internationalen Tag gegen Homo-, (Am)Bi-, Trans- und Interphobie erklärt, um das Bewusstsein für die Rechte von LSBTTIQA+ Menschen zu schärfen.

Mythen über Intergeschlechtlichkeit

Es gibt viele Mythen und Missverständnisse über Intergeschlechtlichkeit, die oft zu Stigmatisierung und Diskriminierung führen. Hier sind einige der häufigsten:

  • Mythos: Intergeschlechtlichkeit ist selten. Fakt: Intergeschlechtlichkeit ist häufiger als viele denken. Schätzungen zufolge ist etwa 1 von 500 bis 1.000 Geburten intergeschlechtlich.
  • Mythos: Intergeschlechtlichkeit ist eine Krankheit. Fakt: Intergeschlechtlichkeit ist keine Krankheit, sondern eine natürliche Variation der menschlichen Biologie. Es handelt sich nicht um eine Störung, die behandelt werden muss.
  • Mythos: Intergeschlechtliche Menschen sind weder männlich noch weiblich. Fakt: Intergeschlechtliche Menschen können sich als männlich, weiblich, beides oder weder noch identifizieren. Geschlechtsidentität ist individuell und unabhängig von körperlichen Merkmalen.
  • Mythos: Intergeschlechtliche Menschen müssen operiert werden, um “normal” zu sein. Fakt: Viele intergeschlechtliche Menschen lehnen nicht notwendige medizinische Eingriffe ab, die oft ohne ihre Zustimmung durchgeführt werden. Diese Eingriffe können langfristige physische und psychische Auswirkungen haben.
  • Mythos: Eltern sollten sofort nach der Geburt entscheiden, welches Geschlecht ihr intergeschlechtliches Kind haben soll. Fakt: Es ist wichtig, dass Eltern und medizinisches Personal abwarten und die Entscheidung dem Kind überlassen, wenn es alt genug ist, um seine eigene Geschlechtsidentität zu verstehen und zu äußern.
  • Mythos: Intergeschlechtlichkeit ist dasselbe wie Transgeschlechtlichkeit. Fakt: Intergeschlechtlichkeit bezieht sich auf körperliche Merkmale, während Transgeschlechtlichkeit die Geschlechtsidentität betrifft. Eine Person kann sowohl intergeschlechtlich als auch transgeschlechtlich sein, aber die Begriffe sind nicht synonym.

Quellen

  • https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/themen/sexuelle-orientierung-und-geschlechtsidentitaet
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Intergeschlechtlichkeit
  • https://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/ueber-diskriminierung/diskriminierungsmerkmale/geschlecht-und-geschlechtsidentitaet/inter/inter-node.html
  • https://oiigermany.org/
  • https://www.bing.com/search?q=Geschichte+der+Intergeschlechtlichkeit
  • https://www.aau.at/wp-content/uploads/2021/04/Inter_GeschichteDiskurs_Handbuch.pdf
  • https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-12496-0_78
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